Das schreibt die HNA (20.10.2012)
"Götter im Gras": Statuen werden zu Musik
Kassel. Als charmanter Jazzer ist Urban Beyer bekannt, nun reiht er sich als Komponist in die Schar der Programm-Musiker ein. Wie Modest Mussorgsky („Bilder einer Ausstellung“) hat er sich von bildender Kunst inspirieren lassen. Und zwar von den Götterstatuen in der Kasseler Karlsaue.
Mit großem Erfolg wurde Beyers Zyklus „Götter im Gras“ nun im Westflügel der Orangerie vorgestellt. Eine swingende Promenade als Sinnbild für entspanntes Schlendern über die Karlswiese („Charles Meadow Promenade“) umrahmte zehn liebevoll gepinselte Musikbilder.
Voller Ideen und Anspielungen sind Beyers Kompositionen. Die Göttin Flora wird etwa mit einer brasilianischen Samba porträtiert - und dem „bildungsbürgerlichen“ Zitat aus Tschaikowskys „Blumenwalzer“. Besonders spannend ist „Caritas Romana“, die Geschichte eines barmherzigen Tabubruchs.
Im alten Rom rettet eine Tochter ihren zum Hungertod verurteilten Vater, indem sie ihn im Kerker mit ihrer Muttermilch versorgt. Beyer hat dafür eine einleuchtende musikalische Idee ausgeheckt. Eine Zwölftonreihe symbolisiert den Tabubruch, doch wird sie mit wohlklingenden, tonalen Akkorden zur weichen Flügelhorn-Ballade. Überhaupt ist Beyer stark in der Kunst, das Schwere angenehm zu machen.
Klasse gespielt werden die Stücke vom Trio FN twentytoo: Beyer selbst am Klavier, der Schlagzeuger Jörg Müller-Fest (der ein feines Solo bei „Vulkan“ trommelt) und der E-Bassist Heiko Eulen an einem bemerkenswerten Bass namens L-Bow. Für weitere Klangfarben von der wilden Attacke bis zum Schmelz sorgen die Gastmusiker Detlef Landeck (Posaune), Michael Koch (Saxofon, Klarinette), Thomas Kepper (Gitarre) und Jens Großmann (Flügelhorn). Nach finalem Jubel gibt’s die Wiederholung des Samba-Ohrwurms.